mexikanische Ska-Band Panteón Rococó kommt kurz vor Weihnachten auf Deutschlandtour

In Mexiko füllen sie mittlerweile Fussballstadien. Wer in den letzten 24 Jahren in Deutschland auf Festivals war, hatte viel Gelegenheit, die grossartige Show der mexikanischen Latin-Ska-Band Panteón Rococó zu erleben. Wie jedes Jahr ist die selbsternannte musikalische Friedensarmee auf Europa-Tournee, diesmal kurz vor Weihnachten. Für das Konzert sollte man Ohrenschutz einpacken, denn die Band mit vierstimmiger Bläsersektion, rockigen Gitarren, Schlagzeuger und Perkussionisten wird dem Publikum gehörig einheizen.

Ska als Samen der Revolution gegen das Establishment

Als Gegenpol zum von Gewalt beherrschten Alltag in Mexiko sollen ihre Konzerte ein Ort der Freude, der Ausgelassenheit und des Tanzens sein. In ihren Texten kritisieren sie den vorherrschenden Konformismus, den die Mexikaner als harte Schale gegen die sozialen Umstände um sich herum aufgebaut haben.

Mit Blick auf die fast 25 Jahre Bandgeschichte stellen sie heute fest, dass der einst kleine Samen aufgeht, sagt der Saxophonist Missael am Telefon. Früher wurden sie als revolutionäre Demonstranten angegriffen, heute trauen sich – vereint über die sozialen Medien – mehr Leute öffentlich eine eigene Meinung zu äussern. „Die wahren Machthaber halten uns immer noch für gefährlich.“ Davon handelt der neue Song „soy peligroso“, aber auch in „manifestación“ heisst es „Das Volk schweigt nicht mehr“. Die Kritik richtet sich an die rechtspopulistischen Besitzer von Latino-TV Sendern, die von den USA aus gesteuert werden. Neidisch blickt Missael von Mexiko aus auf die Bewegungen in Südamerika, wo die Leute auf die Strassen gehen gegen Repression und Zensur. Erfahrung mit der deutschen Neonazi-Szene und ein fragwürdiges Rechtsverständnis machte die Band bereits 2003, als sie auf einem Rasthof angegriffen wurden. Damals stellte sich die Polizei vor die Nazis und riet von Anzeigen ab, erzählt er. Den antifaschistischen musikalischen Kampf scheut Panteón auch weiterhin nicht – immerhin geben sie auch ein Konzert in Dresden.

Linke Universität im Kulturkosmos von Hamburg, Berlin und Lärz

Die klare politische Haltung nach außen und den Frieden nach innen leben sie persönlich und als Band. Inspiriert von der linken zapatistischen Idee der Selbstregierung läuft das Bandleben streng basisdemokratisch, freiheitlich und gewaltfrei als Kollektiv: „Das Ego bleibt draussen. Wenn es Panteón gut geht, geht es mir gut“, ist Missaels Credo. Sich selbst zurück zu nehmen, hilft sicher auch auf der nun anstehenden zweiwöchigen Reise im Tourbus. Dann fühlen sie sich als wahre „família“. Denn der Kern der Panteones kennt sich seit der 9. Klasse, zwei der 9 sind sogar Cousins. Die erste Auslandserfahrung im Jahr 2000 auf Tour in Deutschland bezeichnen sie als ihre Universität, in der sie musikalisch und menschlich viel gelernt haben.

Die intime Beziehung zu Deutschland ist geblieben. Auf dem neuen Album „Infiernos“ – zu deutsch „Höllen“ wird im gleichnamigen Song der Berliner linke Musikclub SO36 genannt. Im Video läuft die Band an der Spree entlang, ist aber auch im Hamburger St. Pauli Stadion zu sehen. Diesen bekennend linken Fussballverein und das dazugehörige Stadtviertel lernte die Band damals kennen. Die Mexikaner und Sanktpaulianer verbindet auch das Faible für Totenköpfe und die Ideen von Solidarität und Widerstand. Seitdem Panteón 2011 auf Bitten des Vereins eine Ska-Version der Fan-Hymne „das Herz von St. Pauli“ auf deutsch eingespielt hat und damit über youtube weltweit Berühmtheit erlangte, werden sie für große Festivals gebucht und können nun endlich ausschliesslich von der Musik leben.

Breites Spektrum des Latin-Ska

Was in der Dokumentation „XX Jahre“ dargestellt wird und auf den Alben hörbar ist: sie haben sehr hart an ihrer Musik gearbeitet. Auch wenn die Wurzeln aus dem Punk stammen, ist ihr Latin-Ska elaboriert. Auf jedem Album haben sie zudem ihre musikalischen Grenzen aufgebrochen, von Latino-Rhythmen über Rock, Reggae und elektronische Effekte bis zu indigenen Anleihen in „Tonantzin“ auf dem aktuellen Album, das sich auf die aztekische Göttermutter von Guadalupe bezieht. In „el último ska“ steuert die französische HipHop-Band Dub Inc. aus den Banlieus von St. Etienne ein paar Textzeilen auf Französisch und der algerischen Berbersprache Kabylisch bei. Beim Konzert in deren Heimatstadt werden sie nicht nur für dieses Lied gemeinsam auf der Bühne stehen – leider ist es schon ausverkauft. Wer woanders für einen Abend zur hüpfenden Panteón-Familie gehören will, muss sich also sputen!

19.12.19 D – Bremen – Schlachthof
20.12.19 D – Dresden – Beatpol
21.12.19 D – Hamburg – Fabrik
22.12.19 D – Hannover – Faust
23.12.19 D – Berlin – So3